INTERVIEW MIT THOMAS A.

F: Wie viele Jahre hast Du vor dem Projekt keine Musik mehr gemacht?

A: Das waren gut sechs Jahre.

F: Deine Vita zeigt, dass Musik in Deinem Leben immer wesentlicher Bestandteil war. Wieso hast Du plötzlich aufgehört Musik zu machen?

 A: Musik war für mich immer sinnstiftend. Ich hätte auch nie gedacht, dass ich sie jemals würde aufgeben müssen. Relativ kurz nach der Geburt meines Sohnes hatte ich einen Hörsturz, danach einen leichten Tinnitus. Kein Jahr später den zweiten. Das war dann der Super Gau.

F: Was waren die Folgen des Hörsturzes?

A: Eine extreme Intensivierung des Tinnitus, auf dem linken Ohr 65 dB, das ist so laut wie eine Straßenbahn, wenn man drin sitzt, auf dem rechten 30 dB. Die Frequenz liegt bei etwa 8000 Hz. Dahinter liegt ein Rauschen. Hinzu kommt eine Schwerhörigkeit auf dem linken Ohr und etwas, das man Hyperakusis nennt.

F: Was ist denn das, Hyperakusis?

A: Eine krankhafte Überempfindlichkeit gegenüber Schall. Bei mir sind es insbesondere Knacklaute, die mich in den Wahnsinn treiben. Außerdem können meine Ohren nicht mehr fokussieren.

F: Zusammengenommen waren das die Gründe mit der Musik aufzuhören?

A: Durch den Ton im Ohr klang jeder Akkord, jede Note disharmonisch. Auch der Sound meiner Flamencogitarre war plötzlich nicht mehr zu ertragen. Die Höhen fehlten komplett. Es war, als hätte ich eine Decke über dem Kopf. Alles klang dumpf.

F: Hat sich das geändert?

A: Nein, das ist so geblieben. Deswegen stellen auch Attila und Thomas den Verstärker ein. Wenn ich das mache, klingt die Gitarre wie eine Kreissäge.

F: Welche Auswirkungen hatte Deine Beeinträchtigung auf Dein Leben, von der Musik abgesehen?

A: Nach dem zweiten Hörsturz bin ich in ein tiefes Loch gefallen. Flamenco war für mich Passion. Ich habe nicht nur keine Musik mehr gemacht, sondern auch mehr als drei Jahre keine mehr hören können. Zudem ist es eine unglaubliche Folter 24 Stunden am Tag dieses Pfeifen und Rauschen im Ohr zu haben. Kein Schlaf mehr. Ich wäre fast durchgedreht. Die Auswirkungen auf die Psyche will ich hier nicht thematisieren. Aber ich kann sagen, dass ich ohne meine Familie diese Zeit nicht überlebt hätte. Ich wäre wohl nicht mehr da.

F: Wie kam es zu dem Projekt.

A: Ich habe ab dem vierten Jahr die Gitarre in die Hand genommen, zu spielen versucht und sie wieder in den Koffer gelegt. Da blieb sie gut ein weiteres Jahr. Ein Jahr drauf habe ich sie mit nach Wales genommen und dort häufiger gespielt. Ich habe von Medizinern Aussagen und Ratschläge gehört, für die ich sie am liebsten geohrfeigt hätte. Heute weiß ich, dass sie es gut meinten und Recht hatten. Zwei Favoriten habe ich.

„Sie müssen den Tinnitus zu ihrem Freund machen“. Diesen Ratschlag habe ich in der Klinik bekommen und hätte dem Kollegen im weißen Kittel beinahe die Brille vom Kopf geschlagen. Heute ist der Tinnitus ein Stressmesser. Er ist immer gleich laut, aber in der Wahrnehmung verändert sich die Lautstärke. Wenn ich ihn lauter wahrnehme, weiß ich, dass ich mich bremsen muss. Er ist nicht mein Freund, aber so kann ich ihm etwas Positives, wenn auch wenig, abgewinnen.

Der zweite Ratschlag war: „Ersetzen sie die fehlenden Frequenzen in ihrem Kopf.“ Ich bilde mir ein, dass das ab und an gelingt. Aber wahrscheinlich hat das eher was mit Gewöhnung zu tun. Was war noch die eigentliche Frage?

F: Wie kam es zu dem Projekt?

A: Zuweilen ist auch Unkonzentriertheit eine Folge (lacht). Es war tatsächlich eine Bierlaune. Ich saß bei Thomas, dem Schlagzeuger der letzten Band, auf der Couch bei einem Bierchen, gab mich meiner Melancholie hin und hörte mich sagen: „Ich würde noch gerne eine CD mit zwölf Stücken machen, von der ich mir jedes einzelne Stück kaufen würde, wenn es nicht von mir wäre.“ Thomas lapidare Antwort war: „Mach doch.“

F: Und dann?

A: Dann habe ich auf dem Speicher ein kleines Homerecording-Studio aufgebaut und angefangen zu komponieren. Ich dachte, dass ich 60-80 Songs würde aufnehmen müssen bis ich 12 hätte, die mir gefallen. Tatsächlich sind es 33 geworden.

F: Wie bist Du an die Sänger gekommen?           

A: Eigentlich wollte ich ein völlig offenes Projekt machen. Ich habe dann einige Songs an Musiker geschickt, die Freunde sind und mir viel bedeuten. Mit Alberto bin ich groß geworden. Er lebt in Spanien, ebenso wie Juande. „La bongo“ habe ich vor gut 25 Jahren live in Spanien gesehen und fand sie und die Debut-CD großartig. Wir hatten nie Kontakt zueinander. Den hat Alberto hergestellt. Martin Weber, ein hervorragender Musiker und ebenso toller Mensch, hat schon für die letzte Band, in der ich gespielt habe, die Geige erklingen lassen. Katy Sedna von Cats and fruits habe ich über Martin kennengelernt. Ich finde Cats and fruits klasse, vor allem live. Katy´s Stimme ist bezaubernd. Andy Morse habe ich ins Swansea (Wales) kennengelernt, als ich dort mit meiner Flamencogitarre unterwegs war. Zu dieser Zeit hat er bei den Black Pages gesungen. Die haben einen sehr geilen Mediumplayer gemacht. Ich liebe Andy´s Stimme. Außerdem ist er ein feiner Kerl. Michael ist Schlagzeuger in einer der Bands, in der Attila singt. Wir haben uns noch gar nicht persönlich kennengelernt. Er hat Monkey gemixt und das derart überzeugend, dass er jetzt hoffentlich alle Stücke mixt. Zudem spielt er noch Schlagzeug und teilt sich die Songs mit Thomas. Er ist eine echte Bereicherung für die MCLM-Familie. Thomas war der Schlagzeuger der letzten Band, in der ich gespielt habe, hat danach noch bei Cryptic Flowers gespielt und ist ein langjähriger und guter Freund. Er hat wie ich Jahre lang keine Musik mehr gemacht und trainiert seit Monaten intensiv. Marcel habe ich in Barcelona kennengelernt. Er ist gewissermaßen der Paradiesvogel des Projekts, denn er ist DJ. Wer weiß, was da kommt. Und last but not least ist Attila Schuster zu nennen, mit dem ich, was das Musikalische anbelangt, die meiste Zeit verbracht habe. Ich habe sehr schöne Erinnerungen an die Zeit mit Cryptic Flowers. 2000 haben wir uns für ein Konzert noch einmal zusammengetan. Einen Tag später habe ich mit AbA mein letztes Konzert gegeben und danach die E-Gitarre gegen die Flamencogitarre getauscht.

F: Machst Du noch Flamenco?

A: Die Frage tut weh. Gitarre spielen ist nicht wie Fahrrad fahren. Ohne Training, am besten mehrere Stunden pro Tag, geht da gar nichts. Für mich spiele ich noch, aber ich weiß wie weit ich mal war und gefühlt bin ich wieder am Anfang. Ich habe einen Job und bin zudem einer derjenigen Väter, die die Elternzeit gemeistert haben und in diesem „Job“ geblieben sind. Da bleibt kaum Zeit,

F: Aber für das Projekt hast Du genug Zeit?

A: Ich hätte gerne mehr.

F: Ist es wahr, dass Du alle Instrumente selbst eingespielt hast?

A: (lacht) Das hört sich ja toll an, ist es aber nicht. Gitarre, Bass und Keyboard habe ich eingespielt und das Schlagzeug per Keyboard „programmiert“. Die Schlagzeuger gehen jetzt ins Studio und geben dem Ganzen ihre persönliche Note. Auch die Streicherparts werden von Martin durch echte Streichinstrumente ersetzt.

F: Was erhoffst Du Dir von Eurem Projekt?

A: Dass ich eine CD im Schrank habe, auf der nicht ein Song ist, der mir nicht gefällt.

F: Danke für die Zeit.

A: Gerne.

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